Timo Nausch

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Führt YouTube & TikTok zum Untergang der Streetfotografie?

Streetfotografie hat eine lange Geschichte. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie auch auf Social Media ihren Platz gefunden hat.

Aber sind YouTube und TikTok etwas, das dem Genre mehr schadet als hilft?

Wie ich zur Streetfotografie gekommen bin

Zur Streetfotografie bin ich eher recht zufällig gekommen, als ich auf YouTube über Videos stolperte, in denen es um dieses Thema ging.

Damals waren viele Inhalte auf YouTube hauptsächlich auf Ausrüstungsrezensionen ausgerichtet.

Doch es gab da einen Fotografen, der mir besonders aufgefallen ist – Kai von DigitalRev.

Kai hatte eine ganz besondere Art, Kameras und Fotografie zu präsentieren. Es war nicht nur eine Aneinanderreihung von technischen Details oder Testaufnahmen von Katzen und Briefkästen.

Nein, Kai hat die meisten Dinge Live auf der Straße getestet. Ein praktischer Ansatz, den ich sehr überzeugend fande. Er schaffte es, seine Leidenschaft für die Streetfotografie und die dokumentarische Fotografie in seine Ausrüstungsbewertungen einfließen zu lassen.

Die Idee, mit einer Kamera in die Stadt zu gehen und das Leben, wie es sich entfaltet, einzufangen, faszinierte mich ungemein.

Also habe ich meine Kamera auch auf der Straße eingesetzt. Nicht zuletzt weil ich schon immer in Städten gewohnt habe und es für mich angenehmer war, durch die Straßen zu laufen als raus in die Natur zu fahren.

Irgendwann habe ich mich dann entschieden, meinen eigenen YouTube Kanal zu starten. Streetfotografie als Thema dort zu bringen war natürlich sehr naheliegend für mich.

Durch meine YouTube-Videos habe ich versucht, diesen Prozess zu dokumentieren. Ich wollte anderen zeigen, wie spannend und bereichernd die Streetfotografie sein kann.

Und obwohl es schwierig war, die Spontanität und Zufälligkeit dieser Kunstform einzufangen, habe ich es mit einer GoPro an meiner Kamera versucht, inspiriert von anderen Fotografen, die ähnliches taten.

Über die Jahre habe ich auf diesem Wege sicherlich auch das ein oder andere Foto aufnehmen können.

Wie Streetfotografie “Content” produziert wird

Um das Problem mit Streetfotografie auf Social Media zu verstehen, macht es Sinn, sich den Produktionsprozess anzusehen.

Wenn ich ein Streetfotografie-Video mache, dann nehme ich meistens meine Kamera und eine GoPro mit. Die GoPro montiere ich direkt an meiner Kamera oder an meinem Körper, damit du sehen kannst, was ich sehe. Das gibt dir das Gefühl, direkt dabei zu sein.

Mein Ziel ist es immer, mindestens ein gutes Foto auf meiner Runde zu machen. Das klingt einfach, aber tatsächlich sind die meisten Fotos, die ich aufnehme, nicht gut. Jeder der auf der Straße fotografiert wird das kennen. Manchmal mache ich 100 oder 200 Fotos und finde nur ein einziges wirklich gutes darunter.

Häufig nimmst du dann eine Runde für ein paar Stunden auf. Viel mehr geht jedoch nicht, da zum einen die Akkus der GoPro nicht so lange halten und der Speicherplatz selbst für HD-Videos irgendwann begrenzt wird auf den SD-Karten.

Wenn ich von meiner Fototour nach Hause komme, sortiere und bearbeite ich dann meine Fotos. Ich suche die guten Bilder und überlege, was dieses Bild besonders macht. Warum funktioniert es, während andere nicht funktionieren?

Diese Gedanken nehme ich oft als Voiceover auf, während ich das Video bearbeite. So kannst du als Zuschauer nicht nur meine Perspektive sehen, sondern bekommst auch einen Einblick in meinen Gedankenprozess.

Gleichzeitig war es mir immer wichtig, dir auch schlechte Aufnahmen zu zeigen, mit dem Hintergrund wie diese schlechten Aufnahmen am Ende zu den guten Fotos führen.

Dabei kommt es dann stark darauf an, wie man das Video an sich bearbeitet.

Ich könnte dir einfach alle Fotos zeigen, die ich gemacht habe, aber das wäre wahrscheinlich langweilig. Stattdessen wähle ich nur die interessantesten Momente aus.

Ich zeige, wie ich mich durch die Stadt bewege, wie ich die Kamera einstelle und wie ich auf bestimmte Situationen reagiere. Die weniger gelungenen Fotos lasse ich meistens weg, es sei denn, sie helfen zu verstehen, warum irgendwann ein gutes Foto daraus entstanden ist.

So bekommst du eine sehr zusammengeschrumpften Einblick in die Arbeit bei der Streetfotografie.

Das Problem mit Streetfotografie auf YouTube

In der Streetfotografie geht es darum, echte, ungestellte Momente einzufangen. Das braucht Zeit, Geduld und auch ein wenig Glück.

YouTube und Social Media insgesamt funktionieren jedoch deutlich anders. Plattformen drängen dich dazu, möglichst viel Content zu erstellen und am besten mehrfach in der Woche Videos zu posten.

Tust du dies wirst du mit Views, Wachstum und auch einem höheren finanziellen Einkommen belohnt.

Diese Kombination führt aber auch dazu, dass die Qualität der Fotografie leidet.

Stell dir vor, du verbringst Jahre damit, ein Portfolio aufzubauen, jedes Bild sorgfältig auswählend, um nur die besten Werke zu präsentieren. Genau das tun legendäre Fotografen.

Sie zeigen uns nicht die misslungenen Versuche, sondern nur die Fotos, die wirklich zählen.

Diese sorgfältige Auswahl fehlt jedoch oft in YouTube-Videos über Streetfotografie.

Hier zählt vor allem der Unterhaltungswert und die regelmäßige Veröffentlichung von Inhalten, nicht unbedingt die Kunstfertigkeit der Fotografie.

Es ist eine Ironie, dass, obwohl die Plattformen wie YouTube die Möglichkeit bieten, ein breiteres Publikum zu erreichen, sie gleichzeitig die Kunst der Streetfotografie in gewisser Weise banalisieren.

Ein Video, das viele Aufrufe und Likes bekommt, spiegelt selten die Qualität oder die Tiefe wider, die Streetfotografie haben kann.

Es geht mehr darum, konstant Inhalte zu produzieren, um sichtbar zu bleiben und Einnahmen zu generieren.

Ich selbst bin hier ja keine Ausnahme. Gerade zu Beginn meines Kanals waren meine Streetfotografie Fotowalks viele meiner meistgesehenen Videos und ich hatte einen hohen Anreiz, mehr Videos dieser Art zu produzieren.

Die Videos, die ich erstellte, repräsentierten nicht immer das, was ich als Künstler wirklich darstellen wollte. Die Beschränkungen durch Zeitmangel und der Druck, ständig neue Inhalte zu liefern, beeinträchtigten dabei aber natürlich die Qualität meiner Arbeit.

Ich habe versucht, das über verschiedene Wege zu lösen. Aber selbst wenn ich mir Aufgaben setze wie 30 Tage lang nur in Schwarz-Weiß zu fotografieren, dann brauche ich logischerweise auch einen gesamten Monat, um das Video zu produzieren.

Gleichzeitig bekommt das Video dann aber nicht deutlich mehr Aufrufe als andere Fotowalks.

Ich will mich nicht darüber beschweren. Aber es führt dazu, dass du als Content Creator das Feedback bekommst: “Solange die Qualität nicht unterirdisch ist, musst du auch keine grandiosen Inhalte produzieren. Hauptsache du postest genügend Videos.”

Die Zuschauer setzen also einen neuen Standard daran, was akzeptabel ist. Und dieser Standard ist in Zeiten von schnellebigen Social Media deutlich niedriger, als früher, als Fotografen ihre Werke in Fotobüchern oder Gallerien präsentiert haben.

Führt Social Media zum Untergang der Streetfotografie?

Social Media hat definitiv einen großen Einfluss auf die Streetfotografie. Aber führt YouTube und TikTok am Ende auch zum Untergang der Streetfotografie?

Als Content Creator merke ich, dass es finanziell deutlich lukrativer ist, mehrere mittelmäßige Videos zu produzieren, als ein herausragendes. Das klingt vielleicht traurig, ist aber die Realität.

Wer häufiger Inhalte posten kann, bekommt mehr Aufmerksamkeit was wiederum Wachstum und mehr potenzielle Einnahmen bedeutet.

Auf der einen Seite senkt dies natürlich die durchschnittliche Qualität der Fotos, die wir auf Plattformen wie Instagram, YouTube oder TikTok sehen.

Es ist wie Fast Food – schnell und einfach zu konsumieren, aber bei weitem nicht das Beste was es gibt.

Die Produktion von Streetfotografie-Fotobüchern, die manchmal Jahre dauert, bevor der Fotograf genügend gute Bilder zusammenhat, steht in starkem Kontrast dazu.

Diese Bücher zeigen das Beste vom Besten, während wir auf Social Media eher mit einer Flut von mittelmäßigen Bildern überschwemmt werden.

Andererseits ist Social Media ein mächtiges Marketing-Tool. Es macht Streetfotografie zu einem Trend und zieht viele Menschen an, die sich sonst vielleicht nie dafür interessiert hätten.

Das erhöht die Sichtbarkeit und bringt mehr Fotografen – sowohl Hobbyisten als auch Profis – dazu, dieses Genre auszuprobieren.

Natürlich kann die niedrigere Qualität der Bilder auf Social Media Neulingen einen falschen Eindruck vom Genre geben.

Doch einige werden inspiriert, tiefer zu graben und die wahren Ikonen der Streetfotografie zu entdecken, die sie dann vielleicht dazu anregen, sich ernsthafter damit zu beschäftigen.

Die Diskussion über Social Media und Streetfotografie ist also zweischneidig.

Während es die Qualität der durchschnittlichen Fotografie zweifelsfrei senkt, macht es das Thema zugänglicher und weckt das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit.

Diese Popularität führt auch dazu, dass sich das Genre weiterentwickelt und anpasst. Das stößt dann natürlich nicht immer auf Gegenliebe bei den Puristen.

Aber in der Gesamtbetrachtung sehe ich das als etwas Positives.

Am Ende entscheidet jeder Zuschauer selbst, ob die Inhalte eines Content Creators den persönlichen Qualitätsansprüchen genügen.

Und für diejenigen, die tiefer in die Kunst der Streetfotografie eintauchen wollen, bleiben die Fotobücher der großen Meister bestehen, als Quelle der Inspiration und des Lernens.

Trotz einiger negativer Nebeneffekte glaube ich daher nicht, dass Social Media der Untergang der Streetfotografie ist. Es bietet auch Chancen, die das Genre bereichern und vorantreiben können.


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