Wie du das passende Objektiv für Streetfotografie findest

 

In der Streetfotografie gibt es keine festen Regeln. Das passende Objektiv zu finden ist also keine einfache Aufgabe. Im folgenden schauen wir uns einige Punkte an, die ich bei der Auswahl eines Street-Objektives in Betracht ziehen würde. Dazu gehören:

  • Die passende Brennweite

  • Welche Blende brauchst du für Street

  • Zoom oder Festbrennweite?

Außerdem bekommst du am Ende auch eine Empfehlung meiner bevorzugten Objektive.

 

Die passende Brennweite

In der Streetfotografie gibt es unzählige Subgenre. Von Streetportraits, über Architektur bis hin zu abstrakten Szenen ist alles zu finden.

Die Wahl der Brennweite macht gewisse Aufnahmen einfacher oder komplizierter.

Daher sollte die Brennweite mit dem verbunden sein, was du auf der Straße gerne fotografieren möchtest. Hierfür kann ich dir folgende Orientierung geben:

 

1. Weitwinkel Objektive

Als Weitwinkelobjektive kann man eigentlich alles mit eine Brennweite von etwa 10 bis 28mm bezeichnen.

Diese Objektive sind unglaublich vielseitig, aber sie erfordern auch ein gutes Verständnis dafür, wie man sie effektiv einsetzt.

Vor allem Superweitwinkelobjektiven, die bei 10 bis 20mm liegen, sind eher eine kleine Nische in der Streetfotografie.

Sie sind super, wenn du große Szenen aufnehmen möchtest, wo die Architektur oder weitläufige städtische Landschaften die Hauptrolle spielen.

Hierbei ist es eher unwahrscheinlich, dass Personen den Hauptfokus bilden, es sei denn, du entscheidest dich bewusst dafür, sie prominent in deinem Bild zu platzieren.

Bei dieser Art von Fotografie geht es mehr um die Darstellung der Umgebung, in der die Menschen leben, als um die Menschen selbst.

Du fängst die Stimmung eines Ortes ein, die Architektur und das unmittelbare Umfeld. Das kann eine herausfordernde, aber ungemein lohnende Herangehensweise an die Streetfotografie sein, weil sie die Zuschauer dazu einlädt, den Kontext und die Umgebung genauer zu betrachten, in der sich die tägliche Dramatik des Lebens abspielt.

Es gibt aber auch weniger extreme Weitwinkel Objektive, rund um den 24mm Bereich. Diese Brennweite bietet dir etwas mehr Flexibilität, wenn es darum geht, Menschen in deine Aufnahmen zu integrieren.

Der Weitwinkel erlaubt es, mehr von der Umgebung einzufangen, während du immer noch nahe genug an deinem Subjekt bist, um persönliche Details und Ausdrücke festzuhalten.

Eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung von Weitwinkelobjektiven in der Streetfotografie ist, dass du sehr nah an die Personen herangehen musst um sie zu fotografieren (solange sie im Foto gut sichtbar sein sollen).

Dies erfordert nicht nur Mut, sondern auch ein gutes Gespür für den richtigen Moment. Du musst in der Lage sein, schnell zu agieren und dabei diskret zu bleiben, um authentische und eindrucksvolle Aufnahmen zu machen.

Außerdem wirst du dabei wahrscheinlich auch öfter angesprochen, was genau du denn gerade machst. Falls du nicht genau weißt, wie du in so einer Situation reagieren würdest, schau dir gerne mein Youtube Video zu dem Thema an!

 

2. “Normale” Objektive

Als nächstes kommen die „normalen“ Brennweiten, also 35mm und 50mm, die unter Streetfotografen als Goldstandard gelten.

Warum sind gerade diese Brennweiten so beliebt? Ganz einfach: Sie spiegeln die natürliche menschliche Sehweise wider.

Während extreme Weitwinkel- oder Teleobjektive die Perspektive stark verzerren können, bieten 35mm und 50mm eine Ansicht, die dem entspricht, was unser Auge natürlich wahrnimmt. Das macht diese Objektive unglaublich intuitiv in der Handhabung.

Ich habe selbst festgestellt, dass ich mit einer 35mm oder 50mm Brennweite die Welt um mich herum so einfangen kann, wie ich sie sehe.

Das erleichtert mir nicht nur den Bildaufbau, sondern macht es auch einfacher, vorherzusagen, wie eine Szene im fertigen Bild aussehen wird. So kann ich mir die Szene vorstellen, bevor ich sie in der Kamera sehe.

Außerdem ermöglichen diese Brennweiten eine sehr direkte Art der Fotografie. Weil sie nicht extrem verzerren oder abstrahieren, muss ich mich als Fotograf physisch dorthin bewegen, wo das Geschehen ist.

Du bist dabei aber nicht dazu gezwungen, in den persönlichen Bereich der Leute zu gehen, wie es manche Weitwinkelobjektive von die verlangen würden.

Dennoch zwingen dich diese Brennweiten dazu, mitten im Leben zu stehen und nicht nur ein stiller Beobachter am Seitenrand zu sein.

Wenn du also eher etwas schüchtern oder zurückhaltend bist, dann ist die nächste Brennweite vielleicht eine bessere Wahl.

 

3. Teleobjektive

Teleobjektive kann man eingentlich als alles ansehen, dass über 70mm liegt. Eines meiner persönlichen Lieblinge ist dabei die 85mm Festbrennweite.

Das 85mm Objektiv bietet eine faszinierende Balance, die es genial für die Straßenfotografie macht.

Du bist weit genug entfernt, um Menschen nicht zu stören, was besonders wichtig ist, wenn du authentische, ungestellte Momente einfangen willst. Gleichzeitig bist du nicht so weit weg, dass du dich von der Szene entkoppelt fühlst.

Du bleibst in der perfekten Distanz, um das Geschehen um dich herum wahrzunehmen und auf deine Bilder zu übertragen.

Außerdem haben diese Objektive aufgrund der hohen Brennweite schneller einen unscharfen Hintergrund. Besonders wenn du dann noch mit niedriger Blende fotografierst, ist es sehr gut möglich über die Schärfe des Fotos dein Motiv von seiner Umgebung zu isolieren.

Die moderne Fokussiertechnologie spielt ebenfalls eine große Rolle. Die heutigen Kameras sind in der Lage, mit beeindruckender Präzision zu fokussieren. Das war früher nicht so einfach.

Mit den richtigen Kameraeinstellungen kannst du die Schärfe so einstellen, dass sie genau dort liegt, wo du sie brauchst, und alles andere elegant in Unschärfe versinken lassen. Das macht das 85mm Objektiv zu einem kraftvollen Werkzeug in den Händen eines Straßenfotografen.

Die Kombination aus der Brennweite, der maximalen Blendenöffnung und der fortschrittlichen Fokustechnologie gibt deinen Straßenfotos einen einzigartigen Look, der früher schwer zu erreichen war.

Es hat nicht nur meine Art der Fotografie beeinflusst, sondern auch wie ich die Streetfotografie als Genre betrachte.

 

4. Superzooms

Superzooms sind Teleobjektive mit einem rieisgen Zoombereich. Ein Klassiker ist zum Beispiel ein 70-200mm Objektiv*. Alternativ gibt es aber auch 100-400mm Objektive* bei manchen Herstellern zu kaufen.

Zunächst einmal bietet dir ein Superzoom die Möglichkeit, eine völlig andere Perspektive auf das Straßengeschehen zu werfen.

Durch den großen Zoombereich kannst du Details hervorheben, die mit herkömmlichen Objektiven für Streetfotografie, wie einem 35 mm oder 50mm, einfach nicht möglich sind.

Wenn ich mit einem Superzoom fotografieren, kann ich auf interessante Szenen zoomen, die sich am anderen Ende der Straße abspielen, ohne den Bereich zu verlassen, in dem ich mich gerade befinde. Dies ermöglicht es mir, spontane und authentische Momente einzufangen, ohne die Szene direkt zu stören.

Allerdings gibt es auch einige Probleme und Nachteile, die mit der Verwendung von Superzoom-Objektiven einhergehen.

Diese Objektive sind sehr groß und schwer. Das macht nicht nur den Transport schwerer, sondern auch das unauffällige Fotografieren in der Öffentlichkeit.

Wenn ich mit einem solchen Objektiv unterwegs bin, werde ich oft zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Passanten nehmen mich eher als professionellen Fotografen wahr, was dazu führt, dass sich Menschen in meiner Nähe unwohl fühlen oder sogar ihre natürliche Verhaltensweise ändern.

Diese Art der Aufmerksamkeit ist in der Streetfotografie, wo du eher weniger auffallen willst um ungestellte Szenen aufzunehmen, natürlich ein großer Nachteil.

Im Gegensatz zu kleineren, weniger auffälligen Objektiven verändert ein großes Superzoom die Dynamik des Umfelds merklich.

Aufgrund dieser Erfahrungen sehe ich Superzoom-Objektive in der Streetfotografie eher als Nischenwerkzeug.

Sie können für spezielle Projekte oder bestimmte Aufnahmesituationen interessant sein, aber für den alltäglichen Gebrauch bevorzuge ich Objektive mit einer kleineren Brennweite.

Diese sind in der Regel handlicher und ermöglichen es mir, flexibler und unauffälliger zu arbeiten.

Dennoch habe ich auch mit einem Superzoom schon einige Streetfotos aufgenommen. In diesem Video solltest du ein ganz gutes Gefühl dafür bekommen:

 

Welche Blende brauchst du für Streetfotografie?

Eine der gängigsten Empfehlungen für Streetfotografen ist die Blende f/8. Dieser Wert wird oft verwendet, weil er eine ausreichend tiefe Schärfentiefe bietet, um die meisten Elemente im Bild scharf zu stellen.

Diese Technik stammt noch aus Zeiten, in denen manuelle Fokussierung Standard war, und sie sorgt dafür, dass sowohl nahe als auch entfernte Objekte gleichermaßen gut sichtbar sind.

Mit dieser Einstellung musst du dir weniger Gedanken um den Fokus machen und kannst dich mehr auf das Geschehen konzentrieren.

Heutzutage ermöglichen moderne Kameras und Autofokussysteme jedoch eine größere Flexibilität bei der Blendenwahl.

Ich selbst nutze meist Objektive mit einer Anfangsblende von f/1.8.

Diese lichtstarken Festbrennweiten sind nicht nur kompakt und diskret, sondern erlauben mir auch, mit der Schärfentiefe zu spielen.

Wenn ich eine offene Blende wie f/1.8 verwende, kann ich einen wunderschön unscharfen Hintergrund erzeugen, der mein Hauptmotiv hervorhebt. Das sorgt für eine gewisse Ästhetik und hilft, die Aufmerksamkeit auf das Subjekt zu lenken.

Allerdings finden viele Streetfotografen, dass ein solcher Effekt eher ablenkend wirkt. Daher bevorzugen sie, mit Blendenwerten wie f/4 oder höher zu arbeiten.

Diese Einstellungen garantieren, dass der Hintergrund und das Umfeld ziemlich gut erkennbar bleiben, was für die Erzählweise in der Streetfotografie wichtiger ist. Es geht darum, das Umfeld, die Atmosphäre und den Kontext einzufangen, in dem sich das Motiv befindet.

Was du also für deine Streetfotografie brauchst, hängt stark von deinem persönlichen Stil und den gegebenen Lichtverhältnissen ab.

Ein lichtstarkes Objektiv gibt dir die Freiheit, bei schlechteren Lichtbedingungen zu fotografieren und gleichzeitig kreativ mit der Schärfentiefe umzugehen. Aber es ist nicht zwingend notwendig, um in der Streetfotografie erfolgreich zu sein.

Objektive mit einer Blende von f/4 oder f/5.6 sind ausreichend, insbesondere wenn sie es einfacher machen, die gesamte Szene scharf zu bekommen.

 

Zoom oder Festbrennweite für Street?

Zoomobjektive versus Festbrennweiten – das ist eines der ewigen Themen in der Fotografie. Was passt besser für das fotografieren auf der Straße?

Zu Beginn ist ein Zoomobjektiv, zum Beispiel ein 24-70mm, echt eine praktische Sache.

Warum? Ganz einfach, es bietet dir Flexibilität. Du bist unterwegs, entdeckst ständig neue Motive und Situationen und mit einem Zoomobjektiv kannst du schnell auf unterschiedliche Szenarien reagieren.

Du kannst dir auch kleine Herausforderungen stellen und es an einem Tag nur auf 35mm einstellen und den ganzen Tag so fotografieren, und am nächsten Tag auf 50mm wechseln.

Das gibt dir die Chance, herauszufinden, bei welcher Brennweite du dich am wohlsten fühlst. Flexibilität ist besonders am Anfang goldwert, wenn du noch dabei bist, deinen eigenen Stil zu finden.

Aber es gibt natürlich auch die Festbrennweiten. Diese Objektive sind meist leichter als Zooms, was an langen Tagen, an denen du viel zu Fuß unterwegs bist, ein echter Vorteil sein kann.

Denn wer weniger Gewicht dabei hat, wird nicht so schnell müde, ist länger unterwegs und macht mehr Fotos.

Außerdem fallen Festbrennweiten weniger auf, was in der Streetfotografie, wo du unauffällig bleiben willst, nur von Vorteil ist.

Persönlich tendiere ich daher inzwischen deutlich zu Festbrennweiten.

Ich liebe die Einfachheit und sehe die Limitierungen nicht als Problem an. Denn so flexible wie Zooms in der Theorie sind, in der Praxis musst du das auch umgesetzt bekommen.

Sehe ich eine spannende Szene und habe ich eine Festbrennweite dabei, dann weiß ich aus Erfahrung inzwische, wie ich mich positionieren muss.

Bei einem Zoom muss ich erst überlegen welche Brennweite ich jetzt nehme, probiere vielleicht eine aus, das funktioniert nicht ganz, also wechsle ich auf eine andere Brennweite…

Dieses Hin und Her hat mich mehr Fotos gekostet, als man eigentlich denkt. Daher bin ich inzwischen kein großer Fan mehr von Zooms.

Ich empfinde die Limitierung der Festbrennweite als etwas positives, da ich mich so besser auf die anderen Aspekte der Fotografie konzentrieren kann.

Aber lass uns ehrlich sein, jede Wahl hat ihre Vor- und Nachteile. Ein Zoom gibt dir Variabilität und eine breitere Palette an Bildausschnitten ohne ständigen Objektivwechsel.

Eine Festbrennweite fordert dich heraus, deine Umgebung genauer zu betrachten und kreativ mit deinen Beschränkungen umzugehen.

Was ich dir also auf den Weg geben möchte: Experimentiere. Starte vielleicht mit einem Zoomobjektiv, um ein Gefühl für verschiedene Brennweiten zu bekommen.

Wenn du dann deine "Lieblingsbrennweite" gefunden hast, könntest du überlegen, ob eine Festbrennweite für diesen speziellen Bereich das Richtige ist.

 

Persönliche Empfehlungen - Was nutze ich?

Im persönlichen Einsatz habe ich - wie bereits angesprochen - nur Festbrennweiten. Inzwischen sind es eigentlich nur noch 2 Objektive die ich für die Straßenfotografie dabei habe.

Lange Zeit war das Sony 85mm f/1.8 Objektiv* mein absoluter Favorit.

Es hat auf sehr einfache Art und Weise zu tollen Street Aufnahmen geführt. Da der Bildausschnitt enger ist und du schneller einen unscharfen Hintergrund hast, ist es sehr einfach im Umgang.

Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Szene, die ich neulich in einem Park in Madrid festgehalten habe. Es gab einen Weg mit vielen kleinen Buchständen.

Dort fotografierte ich eine junge Frau, die in alten Schallplatten stöberte. Die Neugier dieser Person konnte ich mit dem 85mm Objektiv wunderbar einfangen.

In letzter Zeit jedoch hat das Sony 35mm f/1.8* eine ungewöhnliche Faszination auf mich ausgeübt.

Trotz meiner anfänglichen Vorliebe für das 85mm, nehme ich immer häufiger das 35mm mit auf meine Runden. Besonders praktisch finde ich es, wenn ich die dynamischen und oft chaotischen Umgebungen urbaner Settings einfangen möchte.

Mit dem 35mm muss ich mich physisch mehr in das Geschehen einbringen, was die Fotografie zu einer intensiveren und interaktiveren Erfahrung macht.

Das 35mm erfordert allerdings auch mehr Geschick und Geduld. Die breitere Perspektive fängt viel mehr Elemente ein, was den Bildaufbau einer Aufnahme schwieriger, aber auch lohnender macht.

Die Ergebnisse werden viel häufiger auch einfach nur nach langweiligen Schnappschüssen aussehen, aber wenn alles zusammenkommt – das Licht, die Szene, die Stimmung – dann ist der Triumph, ein großartiges Foto geschossen zu haben, umso süßer.

35mm ist im Umgang deutlich schwieriger, aber wenn du einmal ein gutes 35mm Foto gemacht hast, willst du dieses belohnende Gefühl nochmal erleben.

Trotz der Herausforderungen, die das 35mm mit sich bringt, zieht es mich daher immer wieder an.

Es ist diese Herausforderung, die Fähigkeit, aus einem komplexen Set von Variablen ein harmonisches Bild zu schaffen, die mich motiviert, weiterhin mit dieser Brennweite zu experimentieren.

Natürlich ist es schwieriger, mit dem 35mm Objektiv „den perfekten Schuss“ zu erzielen, aber genau das macht es so reizvoll.

 

 
Timo Nausch