Das wichtigste Tool für Fotografen - und man kann es nicht kaufen.

 

Manchmal frage ich mich, was das wichtigste Werkzeug für mich als Fotograf ist. Kamera? Objektiv? Stativ? Klar, all diese Dinge spielen eine Rolle.

Aber nach Jahren mit der Kamera in der Hand wird mir immer klarer, dass das beste Werkzeug etwas ist, das ich schon hatte, bevor ich überhaupt wusste, wie man eine Kamera hält: mein Bauchgefühl.

 

Warum ist Bauchgefühl so wichtig?

Du kennst das sicher auch. Dieses leise Kribbeln, wenn dir dein Bauch sagt, dass da gerade etwas Spannendes passiert. Vielleicht ist es ein Lichtstrahl, der genau richtig auf einen alten Baum fällt.

Oder eine Gruppe Menschen, die für einen kurzen Moment eine perfekte Szene auf der Straße bildet. Du fühlst, dass hier ein Bild entsteht, bevor du es wirklich siehst.

Doch wie oft zweifeln wir in diesen Momenten? Du fragst dich, ob die Komposition stimmt, ob das Licht wirklich gut ist oder ob du dich traust, einfach abzudrücken.

Und während dein Kopf rattert, verpufft die Szene. Ein verpasstes Bild – und du ärgerst dich.

Ich glaube, genau hier kommt das Bauchgefühl ins Spiel. Dein Bauch weiß manchmal besser als dein Kopf, was ein gutes Foto sein könnte. Er sieht nicht nur das Offensichtliche, sondern spürt, was die Szene besonders macht.

Die Aufgabe? Einfach mal darauf hören. Nicht nachdenken, einfach abdrücken.

Ja, das bedeutet, dass du mehr Fotos machen wirst – und mehr Bilder, die im Müll landen. Aber es bedeutet auch, dass du mehr Treffer hast. Es ist wie ein Muskel, den du trainierst.

Je öfter du auf dein Bauchgefühl hörst, desto besser wird es. Du wirst anfangen, Momente schneller zu sehen und zu spüren, wann die Szene passt.

Natürlich gibt es auch Momente, wo ein bisschen Planung und Technik gefragt sind. Aber lass dich nicht zu sehr davon bremsen. Dein Bauchgefühl wird mit der Zeit immer feiner, immer präziser.

Und glaub mir, es wird dich zu Bildern führen, von denen du nie gedacht hättest, dass du sie machen könntest.

 

Ein praktisches Beispiel für das Bauchgefühl

Manchmal, wenn ich unterwegs bin und fotografiere, stehe ich vor einer Szene, die mich sofort anspricht. Dann ist da dieses Gefühl, das mir sagt, wie ich das Bild am besten gestalten kann.

Ich denke nicht lange nach, ob ich jetzt die Drittelregel einhalten soll, den goldenen Schnitt berücksichtige oder eine perfekte Symmetrie schaffe. Es passiert einfach – das Bauchgefühl übernimmt.

Du weißt sicher, was ich meine, wenn ich von den vielen Regeln in der Fotografie spreche. Drittelregel, goldener Schnitt, symmetrischer Bildaufbau – das sind alles gute Hilfsmittel. Aber manchmal widersprechen sich diese Regeln.

Symmetrie bedeutet in der Regel, dass das Motiv genau in der Mitte liegt, während die Drittelregel das Hauptmotiv eher seitlich sieht. Beides gleichzeitig umzusetzen funktioniert nicht. Hier kommt das Bauchgefühl ins Spiel.

Mein Bauchgefühl sagt mir in solchen Momenten, was gerade am besten wirkt. Es ist, als würde mein Kopf die ganzen Regeln im Hintergrund durchrechnen, aber ohne, dass ich bewusst darüber nachdenke.

Ich schaue durch den Sucher, sehe die Szene, und mein Bauchgefühl lenkt meine Kamera in die richtige Position. Es passiert automatisch.

Es gibt sicher Fotografen, die jede Szene analytisch durchdenken können. Sie überlegen sich genau, welche Regel sie anwenden, um die beste Bildwirkung zu erzielen.

Aber wenn ich ehrlich bin, funktioniert das für mich selten, während ich unterwegs bin.

Das Bauchgefühl ist schneller. Es gibt mir sofort eine Richtung vor, die meistens stimmt.

Erst später, wenn ich die Fotos anschaue, kann ich erklären, warum ein bestimmter Bildaufbau funktioniert. Im Moment selbst läuft es intuitiv.

Dieses Bauchgefühl ist nicht angeboren. Es entwickelt sich mit der Zeit, mit jedem Foto, das du machst. Anfangs denkst du vielleicht viel nach, experimentierst mit Regeln und probierst aus.

Aber je mehr du fotografierst, desto mehr übernimmt dein Instinkt. Es wird zu einem Werkzeug, das dich leitet, ohne dass du es merkst. Und genau das macht es so wichtig. Du spürst, was ein gutes Foto ausmacht, noch bevor du alle Details verstanden hast.

Daher ist das Bauchgefühl für mich eines der wichtigsten Tools in der Fotografie - und etwas, das man nicht so einfach kaufen kann.

 

 
Timo Nausch