Wird die Qualität der Fotografen inzwischen immer schlechter?
Eine Diskussion die ich regelmäßig beobachte ist, dass die heutigen Fotografen und die Qualität ihrer Arbeit immer schlechter wird.
Das liegt aber unter anderem an verschiedenen Faktoren, die manche dabei nicht bedenken.
1. Fotografie ist um ein Vielfaches zugänglicher geworden
Als ich meine allererste Kamera hatte, sah die Welt noch ganz anders aus. Filmkameras dominierten die Szene, und digitale Kameras standen gerade erst in den Startlöchern.
Ich war ein Kind und hatte damals manchmal nur eine einzige Filmrolle zur Verfügung – 36 Bilder, die ich mit Bedacht einteilen muss. Jeder Klick will gut überlegt sein, weil jeder Fehlversuch buchstäblich Geld kostet.
Als ich dann älter geworden bin hatten wir in der Familie auf unseren Urlaubsreisen meistens eine Point & Shoot Kamera dabei. Damit konnte man jetzt schon mal deutlich mehr Fotos aufnehmen als mit Film. Aber trotzdem musste man sich für solche Kameras begeistern, das Thema recherchieren und das Geld haben sie sich zu kaufen.
15 Jahre später und inzwischen hat das Smartphone die komplette Welt verändert. Jeder hat eine Kamera in der Hosentasche, immer und überall. Die Barriere, mit Fotografie zu beginnen, ist so gut wie verschwunden.
Früher musste man eine Kamera besitzen, sich mit ihr auseinandersetzen, und sei es nur, um herauszufinden, wie man den Film einlegt oder den Blitz aktiviert. Heute reicht ein Wisch auf dem Handy. Mit einem Klick ist das Bild gemacht – und gleich online geteilt. Das hat dazu geführt, dass es unglaublich viele Fotos gibt, mehr als je zuvor in der Geschichte der Menschheit.
Aber hier liegt auch das Problem. Je einfacher es wird, ein Foto zu machen, desto mehr verschwindet der Gedanke dahinter. Viele schießen einfach drauflos, ohne sich groß mit Komposition, Licht oder Aussage des Bildes auseinanderzusetzen. Warum auch?
Es geht meist gar nicht mehr darum, eine Geschichte zu erzählen oder einen besonderen Moment festzuhalten. Stattdessen steht die schnelle Bestätigung im Vordergrund: ein „Like“, ein Kommentar, eine kurze Aufmerksamkeitsspanne.
Das bedeutet aber nicht, dass Fotografie per se schlechter wird. Es hat sich nur der Fokus verschoben. Die Zugänglichkeit hat den Kreis der Fotografierenden erweitert, aber nicht jeder will oder muss ein Meisterwerk erschaffen. Und das ist auch okay.
Es gibt immer noch Fotografen, die das Handwerk ernst nehmen, die ihre Bilder planen, durchdenken und mit Herzblut dabei sind. Der Unterschied ist, dass sie jetzt in einem Meer aus Schnappschüssen schwimmen – und genau das macht es manchmal schwerer, ihre Arbeit wahrzunehmen.
Denn je mehr Personen es innerhalb eines Themas gibt, desto mehr gehen die richtigen Enthusiasten und “Profis” auch in der Masse unter.
Die Art wie wir Fotos teilen und konsumieren hat sich auch verändert
Wenn ich mit meinen Großeltern oder Eltern rede, dann fällt mir auf wie sehr sich der Konsum von Fotos und Medien auch über die Zeit gewandelt hat, besonders wenn man nicht wie ich mit dem Internet groß geworden ist.
Früher waren Fotos etwas Besonderes. Du hast sie nur in Zeitungen, Magazinen, auf Werbeplakaten oder vielleicht im Fernsehen gesehen.
Alles, was du konsumiert hast, wurde vorher sorgfältig ausgewählt, bearbeitet und kuratiert. Es gab Gatekeeper – Redakteure, Journalisten oder Werbeagenturen – die entschieden haben, ob ein Foto gut genug ist, um veröffentlicht zu werden.
Dieser Filter hat dafür gesorgt, dass du fast nur hochwertige Bilder zu sehen bekommst. Fotos waren Kunst oder Dokumentation, keine Massenware.
Heute sieht das ganz anders aus. Dank Social Media und dem Internet kann jeder sein Bild direkt mit der ganzen Welt teilen. Es gibt keine Redakteure mehr, die sagen: „Das ist gut genug“ oder „Das passt nicht.“
Stattdessen entscheiden Algorithmen, welche Fotos du zu Gesicht bekommst. Und die sind darauf programmiert, dich scrollen zu lassen – immer weiter, immer schneller. Dadurch konsumierst du unzählige Bilder in kürzester Zeit. Viele davon sind belanglos, manche schlecht, einige vielleicht wirklich großartig, aber diese Perlen fallen in der Masse meist gar nicht mehr auf.
Die schiere Menge an Bildern, die wir jeden Tag sehen, hat einen klaren Effekt: Unser Blick für Qualität leidet. Wenn du ständig nur mittelmäßige Fotos anschaust, stumpfst du ab.
Du hast weniger Geduld, ein Bild länger zu betrachten, und nimmst vielleicht auch schon gar nicht mehr wahr, ob es technisch oder kreativ gut ist. Stattdessen zählt eher der erste Eindruck – ein schneller „Wow-Effekt“, der nach zwei Sekunden verpufft, weil schon das nächste Foto im Feed auftaucht.
Das Problem ist nicht, dass die Menschen plötzlich schlechter fotografieren. Das Problem ist, dass wir Bilder anders konsumieren. Früher haben wir uns Zeit genommen, ein Bild zu betrachten, darüber nachzudenken, die Details zu erkennen. Heute swipen wir.
Die Bilder rauschen an uns vorbei, und wir vergessen sie genauso schnell, wie wir sie gesehen haben. Die Qualität von Fotos ist also nicht wirklich schlechter geworden – unsere Wahrnehmung hat sich verändert.
In einer Welt, in der jeder fotografiert, wird es einfach schwieriger, herauszustechen. Aber genau das macht es umso wichtiger, dass du dir überlegst, was du mit deinen Fotos erreichen willst und wie du etwas erschaffst, das nicht sofort in der Masse untergeht.
Fotografie & “Content Creation”
Ich kenne das Problem als Content Creator nur zu gut. Du gehst auf eine Streetfotografie-Runde und am Ende ist das beste Foto des Tages etwas, das du als „okay“ bezeichnen würdest.
Es ist nicht perfekt, und du weißt genau, was du besser machen könntest, aber du nutzt es trotzdem – weil du eben etwas zeigen musst. Im Content-Bereich zählt manchmal nicht das Beste, sondern das, was gerade verfügbar ist. Und genau das verändert auch die Fotografie.
Die Welt dreht sich heute anders. Zeitungen, Magazine und TV verlieren an Bedeutung, während Social Media und Plattformen wie YouTube und TikTok unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das hat nicht nur verändert, wie wir Fotos konsumieren, sondern auch, warum wir sie machen.
Der Anreiz, warum wir die Fotos machen ist zu gewissen Teilen ein anderer geworden. Es geht darum, Klicks, Likes und Views zu bekommen. Und das beeinflusst, welche Art von Fotos wir machen und teilen.
Viele Fotografen, die früher in die journalistische oder dokumentarische Fotografie gegangen wären, landen heute in der Content-Welt. Social Media bietet die Möglichkeit, unabhängig zu arbeiten, ohne auf Agenturen oder Verlage angewiesen zu sein.
Aber diese Freiheit hat ihren Preis. Du musst regelmäßig posten, sonst verlierst du an Sichtbarkeit. Das führt dazu, dass du Fotos teilst, die vielleicht nicht deine besten Arbeiten sind, sondern einfach die, die gerade verfügbar sind. Das Ziel ist nicht mehr, das beste Bild zu machen, sondern den Algorithmus zufriedenzustellen.
Das heißt nicht, dass es früher zwingend besser war. Hast du einen Klienten, dann musst du die Fotos aufnehmen, die ihn zufriedenstellen und auch dort eine gewisse Deadline einhalten.
Auf Social Media spielt aber auch der Fokus auf Technik eine Rolle. Viele Content Creator, mich eingeschlossen, reden mehr über Kameras und Gadgets als über die Fotografie selbst. Die Realität ist aber auch: Technikvideos bringen mehr Views und Geld.
Tiefgehende Analysen oder Experimente mit Fotografie? Eher selten. Der Raum für Kreativität und Innovation schrumpft, weil der Content-Plan Vorrang hat. Gute Fotografie braucht Zeit, aber die Zeit hast du nicht, wenn du ständig neuen Content liefern musst.
Und dann ist da noch der Einfluss des Algorithmus. Egal, wie unabhängig du denkst zu sein – die Likes und Interaktionen prägen dein Verhalten. Du merkst schnell, welche Fotos gut ankommen, und passt deinen Stil unbewusst an. Fotos, die du liebst, aber weniger „performen“, postest du seltener.
Das Ergebnis: Fotografie, die weniger von dir kommt und mehr vom Algorithmus bestimmt wird. Das drückt auf die Vielfalt und den künstlerischen Anspruch.
Fotografie und Content Creation sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, und trotzdem verschwimmen die Grenzen immer mehr. Das sorgt dafür, dass viele Fotografen nicht schlechter werden, aber anders arbeiten. Die Qualität leidet nicht, weil das Talent fehlt, sondern weil der Fokus auf schnellen Ergebnissen und Reichweite liegt.
Wird die Fotografie deshalb jetzt schlechter?
Die Frage, ob die Fotografie dadurch tatsächlich schlechter wird, ist nicht so leicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten.
Natürlich gibt es ein paar offensichtliche Punkte, die dafür sprechen, dass die Qualität sinkt. Durch das Smartphone hat jeder eine Kamera und es gibt mehr Amateurfotografen als je zuvor. Zusätzlich ist es unglaublich einfach, schlechte Bilder online zu posten. Social Media belohnt schnelle, auffällige Inhalte, nicht unbedingt handwerklich oder künstlerisch hochwertige Arbeiten.
Wenn du das hörst und dir die durchschnittliche Qualität aller Fotos anschaust, scheint es logisch zu sagen: Ja, die Fotografie wird schlechter. Die Masse an mittelmäßigen oder schlechten Bildern überwiegt einfach.
Was aber auch der Fall ist: Die absolute Zahl an wirklich guten Fotos – und an talentierten Fotografen – steigt wahrscheinlich sogar.
Der Zugang zur Fotografie ist heute so leicht wie nie. Jeder mit einem Smartphone kann einsteigen und ausprobieren. Und genau das führt dazu, dass immer mehr Menschen ihre Leidenschaft für Fotografie entdecken. Unter diesen tausenden von Neueinsteigern gibt es immer einige, die außergewöhnlich gut werden. Die wirklich herausragenden Fotos existieren also, sie gehen nur leichter in der Masse unter.
Das eigentliche Problem ist nicht, dass es weniger gute Bilder gibt, sondern dass diese weniger Beachtung finden. Auf Social Media wird dein Feed von unzähligen Fotos überflutet, und die wirklich guten Arbeiten können sich nur schwer durchsetzen.
Wenn du also auf der Suche nach inspirierender Fotografie bist, wird es schwieriger, sie zu finden. Du musst aktiv suchen, vielleicht Ausstellungen besuchen oder dich bewusst in Communities bewegen, die Wert auf Qualität legen.
Ich sehe die Entwicklung dennoch positiv. Dass die Einstiegshürde so niedrig ist, bedeutet, dass Fotografie ein breiteres Publikum erreicht. Es gibt mehr Menschen, die sich ausprobieren, lernen und mit der Zeit besser werden.
Und auch wenn die durchschnittliche Qualität sinkt, öffnet die Zugänglichkeit viele Türen. Sie inspiriert Menschen, die vielleicht nie eine Kamera in die Hand genommen hätten, und schafft so eine größere, vielfältigere Fotokultur.
Und letztendlich ist das doch ein Gewinn, oder? Mehr Vielfalt, mehr Inspiration – selbst wenn man ab und zu durch ein paar mittelmäßige Bilder scrollen muss.