Werden deine Fotos besser wenn du näher an deinem Motiv bist?

 

Vielleicht hast du ja bereits schon einmal folgendes berühmtes Zitat gehört: “Sind deine Fotos nicht gut genug, bist du nicht nah genug dran”.

[Oder das Original aus dem Englischen: “If your photos are not good enough, you are not close enough”].

Aber woher kommt dieses Zitat überhaupt? Und was genau ist dran an diesem Ratschlag?

 

Von wem kommt dieses berühmte Fotografie Zitat?

Dieses Zitat stammt von Robert Capa, einem legendären Kriegsfotografen, der für seine mutigen und meist lebensgefährlichen Aufnahmen berühmt ist.

Robert Capa war ein Fotograf, der keine Angst davor hatte, mitten im Geschehen zu sein. Er war während des Zweiten Weltkriegs einer der ersten Fotografen an den Stränden der Normandie am D-Day, und er dokumentierte ebenfalls den Spanischen Bürgerkrieg.

Einige seiner Bilder, wie das berühmte Foto des „fallenden Soldaten“, gehören zu den bekanntesten Kriegsaufnahmen der Geschichte.

Capa hat auch andere Konflikte festgehalten, wie den ersten Indochina-Krieg, bei dem er tragischerweise auf eine Landmine trat und ums Leben kam.

Er hat somit also mit eigenem Leib vorgelebt, was es heißt “nah dran” zu sein. Aber das hat auch dazu geführt, dass manche Fotograf sein Zitat dennoch etwas zu wörtlich nehmen.

 

Wann ist “nah genug”?

Wann ist man wirklich nah genug, um gute Fotos zu machen? Viele verstehen dieses Zitat oft so, dass man einfach näher an das Motiv herantreten soll, um ein besseres Bild zu machen.

Natürlich macht es einen großen Unterschied, ob du körperlich nah dran bist. Du siehst mehr Details, kleine Gesten und Emotionen, die das Bild lebendiger und aussagekräftiger machen. Aber es geht noch um mehr.

Ich glaube, Capa meinte nicht nur die physische Nähe. Natürlich, es ist ein wichtiger Punkt, besonders für neue Fotografen, die noch unsicher sind, wie nah sie an fremde Menschen oder Szenen herangehen dürfen und wollen.

Diese Unsicherheit muss jeder erst einmal für sich selbst überwinden. Aber je näher du kommst, desto mehr nimmst du wahr.

Du siehst, wohin die Menschen schauen, ob sie lächeln oder eine Falte im Gesicht haben. Diese kleinen Details haben eine erstaunlich große Wirkung auf dein Foto.

Doch körperlich nah zu sein ist nicht das Einzige, was zählt. Die emotionale Nähe ist genauso wichtig.

Wenn du eine Verbindung zu dem, was du fotografierst, hast, sei es zu den Menschen oder zur Situation, erzählst du eine ganz andere Geschichte. Ich merke das immer wieder, wenn ich Street-Fotografie mache.

Die Momente, in denen ich wirklich spüre, was die Menschen durchmachen, führen zu den besten Bildern. Es sind oft diese kleinen Gesten, die man nur bemerkt, wenn man aufmerksam ist und sich emotional in die Situation hineinversetzt.

Es geht auch nicht nur um das, was du siehst, sondern auch um das, was du fühlst. Denke zum Beispiel an Situationen wie die Lockdowns im Jahr 2020.

Damals war es einfacher, sich emotional mit den Menschen zu verbinden, weil wir alle ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Jeder hat zur selben Zeit etwas ähnliches durchgemacht. Und dadurch war man mit jeder Person in gewisser Weise auch auf einer tieferen emotionalen Ebene verbunden.

Auch wenn du die Menschen auf der Straße nicht kennst, wie Capa die Soldaten im Krieg nicht kannte, kannst du trotzdem versuchen zu verstehen, was sie durchmachen oder worum es in ihrer Welt gerade geht.

Du musst die Geschichten der Menschen nicht genau kennen, aber du musst ihre Situation nachvollziehen können, um wirklich nah dran zu sein.

Das verändert deine Fotos. Plötzlich fängst du nicht nur Momente ein, sondern auch die Emotionen und die Geschichten dahinter.

Also, wann ist man nah genug? Es reicht nicht nur, körperlich nah dran zu sein. Du musst auch emotional eine Verbindung aufbauen, egal ob bewusst oder unbewusst. So entstehen die Bilder, die wirklich im Gedächtnis bleiben.

 

Für wen machst du deine Fotos?

Wenn du Fotos machst, solltest du dir immer überlegen, für wen du diese Bilder machst. Es istfür die Wirkung durchaus wichtig, dir bewusst zu sein, wer deine Fotos später sehen wird.

Ein Bild, das du für dich selbst aufnimmst, wird wahrscheinlich ganz anders aussehen als eines, das für eine breite Öffentlichkeit gedacht ist.

Wenn du zum Beispiel auf Reisen bist und Fotos in einer Stadt wie Lissabon machst, könnten deine Bilder entweder die Atmosphäre und das Gefühl der Stadt für Menschen einfangen, die noch nie dort waren, oder du könntest versuchen, das Leben der Menschen vor Ort festzuhalten, um eine Geschichte zu erzählen, die eher für Insider verständlich ist.

Wenn du Fotos für Leute machst, die die Stadt noch nicht kennen, wirst du wahrscheinlich versuchen, die Schönheit und die Besonderheiten der Umgebung einzufangen.

Du möchtest, dass diese Menschen durch deine Bilder ein Gefühl für den Ort bekommen, so als wären sie selbst dort gewesen.

Deine Perspektive ist dabei mehr von außen, und du möchtest ein allgemein verständliches Bild von der Stadt vermitteln. Das wird sich auch in der Auswahl deiner Motive wiederspiegeln.

Wenn du hingegen ein Projekt machst, das auf die Kultur oder das Leben in dieser Stadt fokussiert ist, sieht das ganz anders aus.

In diesem Fall richtest du deine Fotos an Menschen, die die Stadt bereits gut kennen oder ein tiefes Verständnis für das Thema haben, das du fotografierst.

Deine Fotos zeigen dann vielleicht nicht die touristischen Highlights, sondern eher die kleinen, versteckten Momente, die nur Eingeweihte wirklich zu schätzen wissen.

Diese Art von Bildern spricht eine ganz andere Gruppe von Betrachtern an und erzählt eine viel spezifischere Geschichte.

In beiden Fällen ist es wichtig, zu wissen, welche Wirkung du mit deinen Fotos erzielen möchtest.

Willst du eine emotionale Verbindung herstellen? Soll der Betrachter Freude, Staunen oder Nachdenklichkeit spüren? Oder geht es dir darum, eine gewisse Realität zu zeigen, die vielleicht auch herausfordernd oder unangenehm ist?

Wenn du dir überlegst, wie nah du an das Thema herangehst – sowohl physisch als auch emotional – wirst du in der Lage sein, Bilder zu machen, die eine stärkere Wirkung auf den Betrachter haben.

Und damit auch wieder “näher dran” sein. Ganz im Sinne von Robert Capa.

 

 
Timo Nausch