Streetfotografie leicht gemacht: So findest du gute Szenen
In der Theorie klingt Streetfotografie so einfach: “Geh einfach auf die Straße und mach ein paar Fotos”. Aber wie findet man gute Szenen? Wonach sollte man Ausschau halten? Wie lernt man am schnellsten?
Ich will hiermit vor allem Anfängern helfen, aber auch für Streetfotografie-Veteranen ist hoffentlich der ein oder andere nützliche Tipp & Trick dabei.
Nach diesen Dinge solltest du Ausschau halten
1. Emotionen
Emotion ist das Herzstück eines jeden guten Streetfotos. Wenn du durch die Straßen gehst und versuchst, die perfekte Szene einzufangen, solltest du immer nach Emotionen suchen.
Emotion heißt aber nicht, dass dein Foto selbst eine Emotion einfangen muss. Es kann auch eine Emotion beim Betrachter auslösen.
Nimm zum Beispiel dieses Kind mit dem Gewehr. Das Foto an sich zeigt nicht wirklich eine Emotion. Es ist nur gutes Licht und ein spannender Moment.
Aber der Betrachter, der ein kleines Kind mit einer Waffe sieht, hat eine ganz eigene emotionale Reaktion auf dieses Foto. Auch das sind Emotionen, die du suchen kannst.
Denn genau diese Gefühle machen ein Foto lebendig und aussagekräftig.
Egal, ob du lächelnde Menschen siehst, die Freude zeigen, oder jemand mit gesenktem Kopf, der Traurigkeit ausdrückt – diese kleinen Momente sind es, die deine Bilder zu etwas Besonderem machen.
Es ist einfach, in die Falle zu tappen und nur nach interessanten Objekten oder Orten zu suchen. Aber ohne Emotion wirken diese Bilder eher flach, fast so, als hätte man das Essen vergessen zu würzen.
Emotionen sind wie das Salz in der Suppe. Sie verleihen deinem Foto die nötige Würze und Tiefe.
Wenn du ein Bild machst, frage dich: Was sollen die Betrachter fühlen? Welche Geschichte will ich erzählen?
Das können die typischen Dinge wie “Freude”, “Wut”, oder “Trauer” sein. Aber auch “Nostalgie”, ein gewisses “Fernweh” oder sogar “Verwirrung” sind völlig legitime Optionen.
Wichtig ist auch, diese Emotion in Einklang der Umgebung zu bringen. Passt die Stimmung zur Umgebung? Oder erzeugt es evtl sogar einen extremen Kontrast?
Stell dir ein Foto vor, bei dem Menschen an verschiedenen Tischen in einer Bar sitzen. Alle reden und sind ausgelassen. Alle bis auf eine Person, die einsam und etwas traurig zurückgelassen dasitzt.
Als Streetfotograf hilft es dann, dich nicht nur auf die einzelne traurige Person zu fokussieren, auch wenn dies durchaus spannend sein kann. Aber diese Person im Kontext der Gesamtszene zu sehen, verleiht dem Foto das I-Tüpfelchen, dass es zu einer ganz besonderen Aufnahme macht.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Licht. Licht hat einen extremen Einfluss auf die Stimmung deines Fotos.
An einem sonnigen Tag wirkt alles viel positiver und lebendiger. Die Sonne steht für Leben, für Energie.
An einem bewölkten oder düsteren Tag kann das Licht hingegen eine melancholische oder isolierte Stimmung erzeugen.
Überlege also immer, wie das Licht die Emotionen in deinem Bild verstärken kann.
2. Mit welchem Bildausschnitt arbeitest du?
Wenn du mit der Streetfotografie anfängst, ist eine der großen Fragen: Mit welchem Bildausschnitt arbeitest du eigentlich?
Hier spielt die Brennweite deines Objektivs eine wichtige Rolle. Unterschiedliche Brennweiten bedeuten auch verschiedene Herangehensweisen, und es kommt immer darauf an, was du in deinem Foto festhalten möchtest.
Wenn du ein Weitwinkelobjektiv nutzt, zum Beispiel eine Brennweite von 28mm, dann hast du einen großen Bildausschnitt. Du bekommst viel mehr von der Umgebung aufs Bild, was sich besonders gut eignet, um Szenen festzuhalten.
Szenen – das sind die Momente, die du auf der Straße entdeckst: Menschen, die in Gruppen stehen, Licht, das in einer interessanten Weise fällt, oder kleine Alltagsdramen, wie ein Kuss, eine Umarmung oder einfach eine Gruppe von Leuten, die sich über etwas Lustiges unterhalten.
Das ist aber auch das Komplizierte am Weitwinkel. Entweder musst du extrem nah an das Geschen ran, um den Fokus auf einzelne Personen zu lenken. Persönlich tendiere ich daher eher dazu, mit einem Weitwinkel einen Fokus auf den Gesamteindruck zu setzen und weniger auf die kleinen Details.
Das gibt dem Bild eine gewisse Ruhe, weil du nicht mitten im Geschehen bist, sondern den Moment aus der Ferne beobachtest.
Anders sieht es aus, wenn du ein Teleobjektiv mit einer längeren Brennweite benutzt, wie etwa 50mm oder 85mm. Hier bekommst du einen viel engeren Bildausschnitt.
Du kannst nicht mehr so viel von der Szene einfangen, dafür aber mehr Details.
Ein Teleobjektiv zwingt dich dazu, genauer hinzuschauen und dir kleine Details herauszupicken: Vielleicht ist es eine Person mit einer interessanten Gesichtsausdruck oder eine spannende Licht- und Schattensituation.
Es geht mehr um das Isolieren von Details und weniger darum, die ganze Szene zu zeigen.
Und wenn du noch nicht das Selbstvertrauen hast, direkt auf Leute zuzugehen, kannst du mit einer längeren Brennweite auch aus der Ferne arbeiten. Ich habe selbst mit meinem 85mm* angefangen.
Reflektionen, Muster oder Bewegungen im Hintergrund werden plötzlich interessanter und machen dein Foto spannend, ohne dass du dich zu nah an die Leute heranwagen musst.
Es geht letztlich nicht darum, was richtig oder falsch ist, sondern darum, was dir gefällt.
Jede Brennweite hat ihre eigenen Stärken und Möglichkeiten, und es lohnt sich, ein bisschen damit herumzuspielen.
Wer mehr von der Umgebung und den Gesamteindruck einfangen will, der nimmt das Weitwinkel, wer eher einen gesunden Arbeitsabstand halten möchte oder einen Blick für Details hat, der fährt mit 85mm besser.
Wichtig ist nur, dass die Wahl deiner Brennweite auch deine Auswahl an Motiven beeinflusst. Mit meinem 85mm würde ich nicht auf die Idee kommen, große Szenen auf einem Platz aufzunehmen. Dafür eignet sich das Weitwinkel einfach besser.
Übrigens bin ich auch kein Freund von Zooms. Diese sind zwar praktisch, aber so flexibel, dass ich mich nie entscheiden kann und daher mehr Szenen und Möglichkeiten verpasse.
Daher lege ich mich zu Beginn meiner Runde eigentlich immer auf eine Brennweite fest, die dann auch für diese Runde meien Blick für die Motive bestimmt.
3. Arbeite im Kontext kleiner Projekte
Wenn du an deiner Straßenfotografie arbeitest, ist es eine gute Idee, dich auf kleine Projekte zu konzentrieren.
Das hilft dir, den Überblick zu behalten und deine Fähigkeiten Stück für Stück zu verbessern.
Wenn du dich auf ein bestimmtes Thema konzentrierst, hast du die Chance, tiefer in die Materie einzutauchen, anstatt ständig alles Mögliche auf einmal einzufangen.
Zum Beispiel könntest du dir vornehmen, eine Woche lang nur nach bestimmten Szenen zu suchen, die dich besonders anziehen. Das könnten bestimmte Aktionen von Menschen sein (Gespräche, rauchen, Sport, etc), besondere Lichtverhältnisse oder dein allgemeiner Bildaufbau (Führungslinien, Framing, etc).
Solche kleinen Projekte geben dir klare Ziele, an denen du arbeiten kannst. Konzentriere dich während dieser Zeit nur auf diesen einen Aspekt und ignoriere die anderen Themen erst einmal.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist Geduld. Es geht nicht nur darum, auf den richtigen Moment für dein Foto zu warten, sondern auch darum, Geduld mit dir selbst zu haben.
Wenn du ein kleines Projekt angehst, hast du die Möglichkeit, dich auf ein einziges Element zu konzentrieren.
Vielleicht fokussierst du dich zuerst darauf, Emotionen in den Gesichtern der Menschen zu erkennen. Sobald du das beherrschst, kannst du einen Schritt weiter gehen und das Licht mit einbeziehen oder nach spannenden Geschichten suchen.
Es ist eine Art Mikrotraining: Du trainierst eine Fähigkeit nach der anderen und entwickelst dich Stück für Stück weiter.
Indem du aber gezielt an einem Aspekt arbeitest geht dieser Teil irgendwann in dein Unterbewusstsein über. Und du hast den Kopf frei, dich auf einen anderen Aspekt zu konzentrieren, während du das voranstehende Thema instinktiv richtig machst.
Es ist auch hilfreich, dir über deine eigenen Vorlieben klar zu werden, was Fotografie angeht. Welche Dinge fallen dir auf, wenn du auf der Straße unterwegs bist? Vielleicht sind es Anzüge, besondere Lichtverhältnisse oder Menschen, die sich an Kreuzungen begegnen.
Für mich sind es z.B. Lichtflecken und Silhouetten. Wenn ich so etwas entdecke, bin ich immer geneigt, diese in einem Foto zu verewigen.
Schreib dir ca. drei dieser Trigger auf, die dich immer wieder faszinieren, und mach dich mit der Kamera auf den Weg, um nur diese Dinge einzufangen.
Das hilft dir, schnell zu erkennen, was dich interessiert, und du wirst geübter darin, diese Momente festzuhalten. Auch hier erkennst du irgendwann instiktiv, wenn du eine spannende Szene vor dir hast.