Reden wir unsere eigenen Fotos schlechter als sie sind?

 

Ich habe mir zuletzt die Frage gestellt, ob wir unsere eigenen Fotos schlechter reden als sie eigentlich sind. Dem Ganzen will ich hier etwas genauer auf den Grund gehen.

 

Wie bewerten wir unsere eigenen Fotos?

Kennst du das Gefühl, wenn du ein Foto anschaust, das du selbst gemacht hast, und irgendwie nicht so richtig zufrieden bist?

Du siehst eher die kleinen Fehler: Das Licht hätte besser sein können, der Bildaufbau ist nicht perfekt, oder das Motiv scheint nicht spannend genug.

Genau darüber habe ich nachgedacht, weil ich mal ein Foto von einer grünen Tür in Madrid gemacht habe. Für mich war es ein ganz simples Bild, nichts Weltbewegendes.

Aber ich hatte eine emotionale Verbindung dazu. Jeden Tag bin ich an dieser Tür vorbeigegangen, auf dem Weg in den Retiro-Park, und für mich steckte da ein Stück Erinnerung drin.

In einem meiner Videos habe ich dieses Foto gezeigt, und in den Kommentaren haben einige gesagt, wie schön sie das Bild finden. Sie haben Dinge gesehen, bei denen ich mir dachte, dass sie das Foto gar nicht so krass herausstellt – die harmonischen Farben, den ruhigen Bildaufbau, kleine Details, die das Foto besonders machen.

Ich weiß aber noch, dass ich gesagt habe: “Naja, es wird ja sowieso nie ein Award Winning Foto werden, aber für die eigene Erinnerung mag ich es”

Aber das positive Feedback hat mich nachdenklich gemacht: Reden wir unsere eigenen Fotos eigentlich schlechter als sie sind?

 

Der Punkt mit den “Award Winning Fotos”

Es gibt diese Vorstellung, dass ein "Award Winning Foto" immer perfekt sein muss. Du kennst sicher die Art von Bildern, die in den Köpfen der meisten herumschwirrt: makellose Landschaften, perfekte Farben, beeindruckendes Licht. Doch genau das wird manchmal völlig überbewertet.

Ich habe mich vor ca 6 Monaten mit Fotos von einem renommierten Wettbewerb, den Hasselblad Masters 2023, beschäftigt. Dort gab es unter anderem auch die Kategorie “Landschaftsfotografie”.

Da war ein Bild dabei, welches mich unfassbar fasziniert hatte, da es durch eine Fensterscheibe aufgenommen wurde. Es war kein klassisches Landschaftsfoto – nicht das, was man erwartet, wenn man an Wettbewerbsfotos denkt. Es hatte auch ein paar Elemente die man gemeinhin eigentlich als “unordentlich” ansehen würde und nicht in seinem Foto haben möchte.

Weimin Chu, Hasselblad Masters 2023

Der Knaller ist, dass dieses Foto später tatsächlich den Preis in der Kategorie Landschaftsfotografie gewonnen hat. Und das obwohl es nicht die klassischen Regeln befolgt.

Wenn ich mir vorstelle, ich hätte dieses Foto selbst gemacht, hätte ich wahrscheinlich gedacht: „Ganz nett, aber niemals ein ‘Award Winning Foto’.“

Genau da liegt das Problem. Wir bewerten unsere eigenen Fotos oft viel zu streng, weil wir sie mit Erwartungen überladen, wie sie sein „müssten“.

Dabei geht es doch darum, was ein Bild ausdrückt, was es in einem Betrachter auslöst.

Aber an sich sind diese Fotos in China entstanden, durch die Scheibe eines Zuges und zeigen den Kontrast zwischen technischer Entwicklung und den Landschaften des Landes.

 

Was ich für meine eigenen Fotos mitnehme

Was kann ich dafür jetzt für meine eigenen Fotos mitnehmen?

Naja, wer sagt eigentlich, dass ein Foto jetzt schon seine volle Bedeutung haben muss?

Vielleicht gewinnt es mit der Zeit an Wert, weil sich die Welt um uns herum verändert. Ein einfaches Motiv, das heute unscheinbar wirkt, kann morgen etwas ganz Besonderes sein.

Nehmen wir zum Beispiel wieder die grüne Tür, die ich fotografiert habe. Wer weiß, ob das Haus in ein paar Monaten noch da ist? Vielleicht ist das Foto dann eine der letzten Erinnerungen an diesen Ort. Dadurch bekommt das Fotos natürlich auch etwas mehr Gewicht.

Solche Gedanken helfen mir, weniger hart zu meinen Bildern zu sein. Denn ein Foto dokumentiert mehr, als wir auf den ersten Blick erkennen. Es kann durch die Zeit oder durch den Blick eines anderen Betrachters eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Außerdem kann ich ja auch nicht beeinflussen, wie du oder jemand anderes meine Fotos wahrnimmt.

Ich sehe ein Bild und finde es mittelmäßig, jemand anderes erkennt darin etwas, das ich übersehen habe – sei es eine interessante Farbkomposition, eine besondere Stimmung oder eine Erinnerung, die das Foto bei ihnen auslöst.

Wir alle bringen unsere eigenen Erfahrungen mit, und genau das macht Fotos so spannend. Sie können bei jedem Betrachter etwas anderes auslösen.

Das bedeutet aber nicht, dass jedes Foto ein Meisterwerk ist. Es geht darum, eine Balance zu finden. Ich will meine Bilder nicht überbewerten, aber ich will sie auch nicht vorschnell schlechtreden.

Manche Fotos haben eine Kraft, die mir erst später bewusst wird. Wenn ich heute alte Aufnahmen anschaue, entdecke ich manchmal Bilder, die ich früher übersehen habe.

Damals dachte ich, sie sind zu unscharf oder technisch nicht perfekt. Heute sehe ich eher die Geschichten, Motive oder Emotionen dahinter, die viel stärker sind, als ich zuerst dachte oder denen ich damals nicht genug Bedeutung zugemessen habe.

Ich weiß nicht ob ich mich ansatzweise nachvollziehbar ausgedrückt habe. Aber das Thema hatte ich schon eine Weile im Kopf.

Unterm Strich will ich dir nur auf den Weg geben, dass es durchaus sein kann, dass ein Foto, das wir initial als “kein Award-Winner” betrachten am Ende einen Preis gewinnt…

Und ein besseres Indiz dafür, dass wir unsere eigenen Fotos nicht immer treffend bewerten kann man wahrscheinlich kaum finden.

 

 
Timo Nausch