Timo Nausch

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Warum die offensichtlichen Fotos den Weg für Kreativität freimachen

Ich will nicht dieselben Fotos wie jeder machen. Das wäre mir zu langweilig auf Dauer. Ich habe allerdings festgestellt, dass die wirklich kreativen Aufnahmen erst kommen, wenn man die offensichtlichen Fotos “abgearbeitet” hat.

Was meine ich mit offensichtlichen Aufnahmen?

Ich kann dir dieses Konzept wahrscheinlich besser an einem konkreten Beispiel erklären:

Im Olympiapark München hat vor ein paar Tagen das “Munich Mash” stattgefunden, ein großes Sportevent. Dort gab es viel zu sehen: Wakeboarden, Skateboarden und BMX-Stunts.

Besonders beim BMX-Fotografieren ist es mir aufgefallen. Zu Beginn habe ich die Kamera einfach in die Richtung des Fahrers gehalten und du hoffst halt darauf, dass du einen coolen Stunt aufnimmst.

Diese ersten Fotos waren die offensichtlichen Aufnahmen. Sie zeigen die grundlegenden Sprünge und Tricks, die jedem sofort ins Auge fallen.

Das war der erste Schritt beim Fotografieren des Events. Man hatte seine Position und versucht hier möglichst viele gute Fotos zu machen. Da es aber relativ viel Andrang gibt, kannst du dich nicht einfach frei bewegen, da ja noch viele andere Zuschauer ebenfalls vor Ort sind.

Also habe ich irgendwann den Punkt erreicht, dass ich alle diese einfachen Bilder gemacht habe. Dann kam der Punkt, an dem ich mich fragte: Was kann ich jetzt noch fotografieren?

An diesem Punkt begann die eigentliche Herausforderung. Ich fing an, nach kreativeren Möglichkeiten zu suchen, um das Event zu dokumentieren.

Zum Beispiel habe ich meine Kamera tiefer gehalten, um den Schriftzug im Hintergrund und den Olympiaturm einzufangen. Du fängst an, nach kreativen Winkeln oder neuen Ideen zu suchen, um nicht 500 Mal dieselbe Aufnahme zu machen.

Eine meiner Lieblingsaufnahmen entstand genau so. Ich hielt die Kamera so, dass nur ein Drittel des Bildes frei blieb, um einen Fahrer dort zu platzieren.

Es war nicht einfach, diesen Schuss zu machen, da die Fahrer genau an einer bestimmten Stelle vorbei fahren mussten. Aber ich hatte auch nichts zu verlieren. Die anderen Shots hatte ich ja alle schon und hatte nicht das Gefühl etwas zu verpassen.

Diese kreativen Aufnahmen waren daher das Ergebnis davon, dass ich zuerst die offensichtlichen Aufnahmen gemacht hatte.

Durch das Fotografieren der einfachen, offensichtlichen Dinge begann ich, das Event anders zu sehen. Ich suchte nach Möglichkeiten, die Bilder einzigartig und besonders zu machen.

Ohne die offensichtlichen Aufnahmen hätte ich vielleicht nie die kreativen Ideen gefunden. Diese Bilder waren es, die die Atmosphäre und das Besondere des Events wirklich einfingen.

Warum ist es so schwer, direkt mit den kreativen Aufnahmen zu starten?

Warum ist es so schwer, direkt mit den kreativen Aufnahmen zu starten? Diese Frage beschäftigt mich, und ich habe darüber nachgedacht, warum es mir so schwer fällt, direkt kreativ loszulegen. Vielleicht geht es dir ja ähnlich.

Ich merke, dass ich mich meist sicherer fühle, wenn ich zuerst die offensichtlichen Aufnahmen mache. Diese klaren und erwarteten Bilder geben mir das Gefühl, immerhin schonmal etwas erreicht zu haben und ein produktives Ergebnis zu besitzen.

Sie sind wie ein Netz, das mich auffängt, falls meine kreativen Ideen nicht so klappen, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist beruhigend zu wissen, dass ich zumindest ein paar gute Standardfotos habe, auf die ich zurückgreifen kann.

Wenn ich sofort mit einer kreativen Idee anfange, fühle ich eine innere Unruhe. Die Angst, dass ich kostbare Momente verpassen könnte, weil ich zu viel Zeit mit einer möglicherweise missglückten Aufnahme verbringe, nagt an mir.

Diese Unsicherheit hindert mich daran, mich voll und ganz auf die kreative Aufnahme einzulassen. Es ist, als würde ich ständig daran denken, dass es klüger wäre, zuerst die einfachen und sicheren Fotos zu machen.

Sobald ich jedoch die offensichtlichen Aufnahmen im Kasten habe, spüre ich eine Art Erleichterung. Dann weiß ich, dass ich genug gutes Material habe und kann mich entspannter auf die kreativen Versuche konzentrieren.

Es gibt mir die Freiheit, zu experimentieren und auch mal zu scheitern, ohne dass ich das Gefühl habe, etwas Wichtiges zu verpassen. Diese Herangehensweise hilft mir, mutiger und freier in meiner Kreativität zu sein.

Vielleicht geht es dir auch so, dass du dich erst sicher fühlen musst, bevor du dich kreativ austoben kannst. Es ist okay, sich diese Zeit zu nehmen. Jeder hat seinen eigenen Weg, kreativ zu sein.

Manchmal braucht man einfach die Gewissheit, dass man die Basics abgedeckt hat, um dann mit vollem Elan und ohne Sorgen die kreativen Aufnahmen zu machen.

Dieses Konzept ist nicht an Zeit gebunden

Dieses Konzept lässt sich nicht an einen bestimmten Zeitraum binden. Ob an einem Tag, über Wochen oder sogar Jahre – das Prinzip bleibt gleich.

Wenn ich zum Beispiel auf dem Munich Mash bin und dort den ganzen Tag fotografiere, dann ist das ein sehr kurzer, konzentrierter Zeitraum. Aber auch über viel längere Zeiträume sind mir dieselben Dinge aufgefallen.

Besonders bei der Landschaftsfotografie spielt das Licht eine große Rolle. Wenn ich an einem bekannten Ort fotografiere und die Standardaufnahme bei optimalem Licht mache, habe ich diese wichtigen Bilder schon einmal im Kasten.

Manchmal bleibt an diesem Morgen / Abend dann aber keine Zeit mehr für eine kreative Aufnahme, weil sich das Licht zu sehr ändert.

Aber es hindert dich ja nichts daran, zu einem späteren Zeitpunkt - der nächste Tag, die nächste Woche, evtl sogar in den nächsten Jahren - an diesen Ort zurückzukommen. Und weil du bereits die “Standardaufnahme” gemacht hast, kannst du dich dann direkt auf kreative Shots konzentrieren.

Das gilt auch für meine Streifzüge durch München. Ich habe diese Stadt schon so oft fotografiert, dass die normalen Standardaufnahmen für mich langweilig geworden sind.

Deshalb suche ich nach neuen kreativen Ansätzen, spiele mit Spiegelungen, verschiedenen Bildebenen oder ungewöhnlichen Perspektiven.

Diese Freiheit habe ich, weil ich die Standardbilder schon häufig gemacht habe und mich nicht mehr auf das Offensichtliche konzentrieren will.

Anders ist es aber, wenn ich reise und an einem neuen Ort bin. Dort habe ich noch keine Standardaufnahmen gemacht. Alles ist neu und aufregend.

In solchen Situationen fällt mir auf, dass ich zunächst immer die offensichtlichen Fotos aufnehme, die jeder Tourist macht.

Wenn ich das so analysiere, scheine ich hier dann immer einen Katalog an Standardaufnahmen aufzubauen. Erst wenn ich diese Basis habe, fühle ich mich frei genug, um mich mit kreativen Aufnahmen zu beschäftigen.

Dieses Vorgehen hilft mir, den Kopf frei zu bekommen und die innere Ruhe zu finden, die ich brauche, um wirklich kreativ zu sein.

Es ermöglicht mir, die Balance zwischen Sicherheit und Kreativität zu finden, egal ob ich an einem Tag oder über einen längeren Zeitraum fotografiere.

So habe ich immer die Freiheit, neue und spannende Aufnahmen zu machen, ohne die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen.


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