Timo Nausch

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Macht man an fremden Orten wirklich bessere Fotos?

Macht man an fremden Orten wirklich bessere Fotos? Als Fotograf bin ich bereits viel durch Europa gereist und kann dir zu diesem Thema einen guten Einblick aus eigener Erfahrung bieten.

Warum viele Fotografen denken, dass man an fremden Orten bessere Fotos macht

Viele Fotografen denken, dass man an fremden Orten bessere Fotos macht, weil sie ihren Heimatort als langweilig empfinden.

Man kennt die Umgebung so gut, dass man sich nicht mehr inspiriert fühlt und alles gleich aussieht. Diese Routine führt dazu, dass man weniger kreativ ist und meist die gleichen Motive fotografiert.

Die Vorstellung, an einem aufregenderen Ort bessere Fotos machen zu können, ist daher sehr verlockend.

Wenn du z.B. aus einem kleinen Dorf kommst und die Street-Fotografie liebst, gibt es dort wahrscheinlich nicht viele spannende Motive. Selbst wenn du in die nächstgrößere Stadt fährst, sind dort vielleicht nur 50.000 Einwohner, und die Abwechslung ist begrenzt.

Im Vergleich zu einer Millionenstadt wie London oder New York, die viele verschiedene Stadtviertel und unzählige Möglichkeiten bietet, erscheint der Heimatort dann natürlich langweilig.

Für einen durchschnittlichen Streetfotografen scheint eine Großstadt deshalb das perfekte Fotografie-Ziel zu sein.

Ich habe in den letzten Jahren viele Orte bereist und in verschiedenen europäischen Großstädten wie München, Paris, Madrid und Barcelona gelebt. Auch ein paar Tage in London und ein Roadtrip durch Italien habe ich gemacht.

Aber haben sich diese Reisen tatsächlich positiv auf meine Fotografie ausgewirkt?

Der Vorteil wenn du in einer neuen Umgebung bist

Der Vorteil, wenn du an einem neuen Ort bist, liegt darin, dass du dich viel motivierter fühlst, die Gegend zu erkunden und zu fotografieren. Alles ist neu, aufregend und spannend.

Nehmen wir zum Beispiel nur ein einziges kleines Detail, von denen es auf deiner Reise wahrscheinlich Dutzende mehr geben wird:

Allein die Bauweise der Häuser unterscheidet sich sehr häufig deutlich von dem, was du gewohnt bist. Italienische Häuser sind farbenfroher als deutsche. In London, besonders im Hyde Park, haben die Häuser einen typischen englischen Stil, der sich sehr von anderen Städten abhebt.

An einem neuen Ort gibt es so viele Dinge zu entdecken. Du fühlst dich regelrecht bombardiert von neuen Eindrücken, und das macht es spannend, durch die Gegend zu laufen.

Jede Ecke bietet etwas Neues. Dadurch bist du motiviert, länger unterwegs zu sein und mehr zu fotografieren.

In München gehe ich meist nur zwei Stunden durch die Stadt, bevor ich mich uninspiriert fühle. An neuen Orten ist das anders.

Da habe ich das Gefühl, dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt, und ich bleibe viel länger draußen, um zu fotografieren.

Wenn du länger unterwegs bist, hast du natürlich auch mehr Fotomöglichkeiten. Das bedeutet, dass du am Ende des Tages mehr Fotos gemacht hast und wahrscheinlich auch bessere. Einfach weil die Summer der Fotos größer ist und du dadurch auch mehr Glück haben kannst.

Ich bin Street-Fotograf, deshalb rede ich so häufig über Städte. Aber das gilt genauso für Landschaftsfotografen.

Die Landschaften unterscheiden sich stark, ob du nun an der Nordseeküste oder im Alpenland bist. Jede Gegend bietet einzigartige Motive und unterschiedliche Lichtverhältnisse.

Die wechselnde Szenerie ist ein großer Vorteil. Sie bringt Abwechslung und frische Perspektiven in deine Fotografie. Es macht einen großen Unterschied, ob du immer die gleichen Motive vor der Linse hast oder ständig neue und spannende Dinge entdeckst.

Es ist also klar, dass ein neuer Ort viele Vorteile für deine Fotografie bietet. Doch das ist auch nicht die ganze Geschichte.

Der Nachteil wenn du in einer neuen Umgebung bist

An einem neuen Ort zu sein, hat nicht nur Vorteile. Zwar fotografiere ich mehr, aber das bedeutet nicht automatisch, dass die Motive ausdrucksstark oder einzigartig sind.

Da alles neu und aufregend erscheint, ist häufig sogar eher das Gegenteil der Fall und deine Fotos wandeln sich mehr in Schnappschüsse um.

Ich habe kürzlich einen Tag in Palma auf Mallorca verbracht und dort Streetfotografie gemacht. Dabei sind einige schöne Fotos entstanden, mit denen ich sehr zufrieden bin.

Doch nur wenige dieser Fotos sind wirklich typisch für Palma oder Mallorca. Es sind schöne Aufnahmen, aber sie könnten genauso gut an anderen Orten entstanden sein.

Auf einer Wanderung über die Insel habe ich verschiedene Fincas in Olivenhainen fotografiert. Diese Fotos sind zwar typisch für Mallorca, aber wenn ich die Grundelemente betrachte – ein Haus umgeben von Bäumen – finde ich ähnliche Motive auch in Deutschland.

Das Haus sieht anders aus und die Vegetation ist unterschiedlich, aber das Grundmotiv bleibt ähnlich. Wenn ich in Mallorca aufgewachsen wäre und diese Szenen schon 20 Jahre lang gesehen hätte, wären sie vielleicht nicht mehr so spannend für mich.

Auch in der Street Fotografie sehe ich Unterschiede und Gemeinsamkeiten. In Palma tragen die Leute andere Kleidung und vielleicht ist mal eine Palme im Hintergrund.

Aber das Spiel mit Licht, das Herausarbeiten von Emotionen im Gesicht und das Einfangen flüchtiger Momente sind Techniken, die ich überall anwenden kann. Diese Techniken sind nicht nur im Urlaub wichtig, sondern generell in der Fotografie.

Ich versuche zu sagen, dass es nicht zwingend notwendig ist, an einem exotischen Ort zu sein, um gute Fotos zu machen. Die Grundelemente eines guten Fotos – das Motiv, die Technik, die Kreativität – sind überall gleich.

Man muss nicht unbedingt in den Urlaub fliegen und viel Geld ausgeben, um interessante und ausdrucksstarke Fotos zu machen.

Die Grundtechniken kannst du ohne Probleme auch in deine bekannten Heimat üben und lernen.

Macht man an einem fremden Ort unterm Strich bessere Fotos?

Ob man an einem fremden Ort unterm Strich bessere Fotos macht, ist aus meiner Erfahrung ehrlicherweise eher eine Glückssache. Es hängt stark davon ab, wie viel du tatsächlich unterwegs bist und wie interessant du deine Umgebung findest.

In einer neuen Umgebung bist du in der Regel mehr unterwegs und fotografierst mehr. Das liegt daran, dass alles neu und spannend wirkt, und du mehr Lust hast, draußen zu sein und zu erkunden.

Ich war zum Beispiel im August in Paris. Dort waren fast jeden Tag 30 bis 35 Grad, und es war einfach zu heiß, um in der Mittagssonne unterwegs zu sein. Selbst morgens und abends war es noch sehr warm und unangenehm, sodass ich nicht wirklich lange draußen bleiben konnte oder wollte.

In solchen Situationen macht es keinen Spaß, zu fotografieren, und das zeigt sich auch in den Fotos.

Ein anderes Beispiel ist Barcelona. Diese Stadt hat mich persönlich nicht angesprochen. Ich konnte keine Verbindung zu ihr aufbauen, und das spiegelt sich in meinen Fotos wider.

Ich habe dort keine Fotos gemacht, die ich als wirklich cool bezeichnen würde. Die fehlende Motivation und der mangelnde Spaß an der Stadt haben sich direkt auf meine Aufnahmen ausgewirkt.

Ganz anders war es in Madrid. Diese Stadt fand ich unfassbar hübsch und hatte viel Spaß daran, sie zu erkunden. Das zeigt sich auch in meinen Fotos.

Obwohl ich dort nicht mehr so viel fotografiert habe, sind die Fotos, die ich gemacht habe, sehr cool. Die positive Verbindung zur Stadt hat meine Motivation und Kreativität gesteigert.

Zu Hause kannst du natürlich auch gute Fotos machen. Du kennst deine Umgebung gut und hast vielleicht schon viele Fotos, mit denen du sehr zufrieden bist.

Gerade weil du aber alles schon kennst experimentierst du manchmal auch mehr und versuchst, mit kreativen Techniken neue Blickwinkel zu finden. Das kann dann zu interessanten und einzigartigen Aufnahmen führen.

Gleichzeitig kann die gewohnte Umgebung auch einschränkend wirken. Du hast vielleicht das Gefühl, dass bestimmte Szenen immer auf eine bestimmte Weise fotografiert werden müssen.

Reisen gibt dir die Freiheit, neue Ideen auszuprobieren und nicht vorgefertigte Vorstellungen zu haben, wie ein Motiv am besten fotografiert werden sollte. Diese Freiheit fördert Kreativität und Experimentierfreude.

Letztendlich musst du für dich selbst herausfinden, wie du am besten arbeitest. Es ist aus meiner Erfahrung aber nicht so, dass du automatisch bessere Fotos machst, wenn du reist.

Vielmehr hängt es davon ab, wie sehr dir die neue Umgebung gefällt und wie inspirierend sie für dich ist. Und selbst in einer inspirierenden Umgebung musst du schauen, dass du nicht nur “Schnappschüsse” machst, sondern die wie Zuhause auch Mühe mit Bildsprache und -aufbau gibst.


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