Timo Nausch

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4 Dinge die ich als Streetfotograf niemals fotografiere

Wer auf der Straße fotografiert kann eigentlich alles zu seinem Motiv machen. Dennoch gibt es vor allem ein paar moralische Grenzen, die ich nicht überschreiten will.

Ob du das auch so machen willst bleibt ganz dir überlassen. Ich will dir hier nur zeigen, was und warum ich manche Dinge nicht fotografiere oder zumindest nicht veröffentliche.

1. Obdachlose

Als Streetfotograf ist es mir wichtig, die Würde und den Respekt der Menschen, die ich fotografiere, zu wahren.

Besonders bei Obdachlosen oder Personen, die in Not sind, gibt es für mich klare Grenzen. Ich fotografiere solche Menschen nicht, weil ich ihnen das Gefühl geben möchte, dass sie respektiert und nicht ausgenutzt werden.

Wenn ich einfach meine Kamera auf jemanden richte, der obdachlos ist, kann es für diese Person so wirken, als würde ich mich über sie lustig machen oder als würde ich ihre Situation ausnutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Genau das möchte ich vermeiden.

Diese Menschen erleben schon genug Leid, Missachtung und Demütigung im Alltag.

Es ist nicht meine Absicht, ihren Tag noch schwieriger zu machen, indem ich sie fotografiere, ohne einen wirklichen Zweck dahinter zu haben.

Ich finde, dass Fotos von Menschen in schwierigen Lebenslagen nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie wirklich etwas bewirken und auf Probleme aufmerksam machen. Obdachlose würde ich also nur fotografieren, wenn ich ein Fotoprojekt rund um dieses Thema erstellen wollen würde.

Dazu gehört aber auch, dass ich mich mit der Situation der betroffenen Personen auskenne und meine Arbeit wirklich dazu beiträgt, ihnen zu helfen oder ihre Geschichten mit Respekt zu erzählen.

Ich denke, es ist wichtig, sich immer zu fragen, warum man ein bestimmtes Bild machen möchte.

Geht es wirklich darum, etwas zu verbessern, oder steckt vielleicht ein egoistisches Motiv dahinter?

Gerade bei verletzlichen Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen oder Personen, die ohnehin schon das Gefühl haben, nicht dazu zu gehören, ist es umso wichtiger, sensibel zu sein.

Niemand soll das Gefühl haben, dass ich nur ein Foto von ihm oder ihr mache, weil er oder sie anders aussieht oder in einer schwierigen Situation ist.

Als Mindestmaß würde ich mich mit so einer Person im Vorfeld unterhalten und dann auch nur ein Streetportrait mit der vorherigen Einwilligung erstellen.

Aber ohne Zustimmung einen Obdachlosen zu fotografieren fühlt sich für mich schlichtweg nicht gut an.

2. Fotos die Menschen in einem schlechten Licht dastehen lassen

Als Streetfotograf achte ich darauf, dass meine Bilder die Menschen respektvoll und würdevoll darstellen.

Es ist mir wichtig, dass niemand auf einem Foto schlecht aussieht oder sich unwohl fühlt, wenn er es sieht. Wenn du Menschen fotografierst, finde ich es wichtig, sie nicht in Situationen abzulichten, die peinlich oder unvorteilhaft sind.

Das bedeutet, keine Fotos zu machen, auf denen jemand eine Grimasse schneidet oder mitten im Essen ist. Ein gutes Bild zeigt die Menschen in einem positiven Licht und lässt sie gut aussehen.

Ein Beispiel dafür ist, wenn jemand auf der Straße von einer Windböe überrascht wird und sich die Kleidung ungewollt hebt.

Solche Momente sind privat und intim, und es ist nicht fair, sie einfach festzuhalten, nur um ein interessantes Bild zu haben.

Wenn jemand sich die Nase putzt oder in einer unglücklichen Haltung dasteht, mache ich auch kein Foto. Oder wenn jemand offensichtlich betrunken durch die Gegen torkelt, dann ich das ebenfalls kein gutes Motiv für mich.

Es geht darum, die Privatsphäre und die Würde der Menschen zu achten. Niemand sollte sich später auf einem Foto wiederfinden und sich dann schlecht oder ausgenutzt fühlen.

Eine weitere Sache, die ich vermeide, ist das aggressive Fotografieren mit Blitzlicht direkt ins Gesicht. So etwas erschreckt die Menschen und führt sehr schnell zur Konfrontation und unangenehmen Situationen.

Es gibt bereits einige Fotografen, die ganz nah an Leute herangehen und ihnen den Blitz direkt ins Gesicht halten. Ich finde, das ist respektlos und gibt Streetfotografie einen schlechten Ruf.

Menschen fühlen sich dadurch eher angegriffen, und das ist nicht der Eindruck, den ich hinterlassen möchte.

Es geht mir darum, authentische Momente einzufangen, ohne dass die Menschen das Gefühl haben, bloßgestellt oder ausgenutzt zu werden.

Streetfotografie sollte Kunst sein, die das Leben zeigt, wie es ist – aber immer mit Respekt.

3. Kinder

Es ist einfach so, dass Kinder in unserer Gesellschaft als besonders schutzbedürftig gelten.

Viele Eltern entscheiden ganz bewusst, ob und wie ihre Kinder in der Öffentlichkeit oder im Internet gezeigt werden, und möchten, dass ihre Kinder später selbst entscheiden können, ob sie sichtbar sind oder nicht.

Ich finde es nicht fair, diese Entscheidung als Fotograf für sie zu treffen. Deshalb halte ich mich grundsätzlich davon fern, Kinder zu fotografieren oder deren Bilder zu veröffentlichen.

Dazu kommt noch, dass ich als Mann unterwegs bin, was die Situation zusätzlich kompliziert macht.

Wenn man als Mann mit einer Kamera kleine Kinder fotografiert, wird das sehr häufig ziemlich kritisch gesehen. Man gerät schnell in eine unangenehme Situation, weil es sofort Vorurteile gibt.

Es entstehen dann manchmal Gedanken oder Vorwürfe, die überhaupt nicht der Realität entsprechen, aber es zeigt einfach, wie sensibel dieses Thema ist.

Ich kenne auch Situationen, in denen meine Freundin fotografiert, und das wird meist ganz anders aufgenommen, fast schon als etwas Natürliches, weil man dann von einer Art „mütterlichem Blick“ ausgeht.

Aber für mich, als Mann, ist das anders. Deshalb fotografiere ich Kinder nur in bestimmten Fällen, und zwar so, dass sie auf dem Bild nicht zu erkennen sind.

Zum Beispiel mache ich Fotos, auf denen sie nur als Silhouette oder von hinten zu sehen sind. Auf diese Weise bleibt das Kind anonym und kann nicht identifiziert werden.

Das erlaubt es mir, dennoch eine Geschichte zu erzählen, ohne in die Privatsphäre einzudringen oder gegen die Wünsche der Eltern zu handeln.

Mir ist es wichtig, als Fotograf diese Grenze zu respektiert und sich seiner Verantwortung darüber bewusst zu sein.

Jeder hat ein Recht auf Privatsphäre, besonders Kinder, die sich nicht selbst verteidigen können.

4. Leute die offensichtlich nicht fotografiert werden wollen

Es gibt Leute, die offensichtlich nicht fotografiert werden wollen, und das erkenne ich meistens an ihrer Körpersprache oder an den Blicken, die sie mir zuwerfen.

Vielleicht hatten sie schon einmal eine schlechte Erfahrung mit einem Fotografen, oder sie haben einfach keine Lust, von einem Fremden fotografiert zu werden.

Manchmal sind es auch Menschen, die in einem Marktstand arbeiten oder ihre Produkte verkaufen, und ich merke, dass sie keine Lust haben, fotografiert zu werden, weil ihnen Tag für Tag jeder zweite Touri eine Kamera ins Gesicht hält.

Ich finde, es ist nicht meine Aufgabe, das zu hinterfragen oder Gründe zu suchen, warum jemand keine Fotos möchte.

Wenn ich sehe, dass jemand abweisend reagiert oder unfreundlich schaut, dann akzeptiere ich das und ziehe weiter.

Es gibt auch Situationen, in denen mir ganz direkt gesagt wird: „Kein Foto“. Gerade auf arabischen oder türkischen Märkten gibt es viele Stände wo „No Photo“ an verschiedenen Geschäften steht.

In solchen Fällen ist ja ganz klar, dass von mir erwartet wird, keine Fotos zu machen.

Ich finde, man muss diese Grenzen respektieren, auch wenn es in vielen Ländern völlig legal ist, Fremde in der Öffentlichkeit zu fotografieren.

Nur weil es erlaubt ist, bedeutet das nicht, dass es immer richtig ist.

Ein Erlebnis in Portugal ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. In Lissabon bin ich durch die Straßen gelaufen, um ein schönes Stadtbild einzufangen.

Die Häuser sahen toll aus, und die Atmosphäre war genau das, was ich gesucht habe.

Doch plötzlich kam ein Mann auf mich zu und beschwerte sich lautstark. Er sprach auf Portugiesisch, und obwohl ich nicht alles verstand, war klar, dass er sich über Touristen und ihre Kameras ärgerte.

Ich habe sofort gemerkt, dass meine Anwesenheit dort unerwünscht ist. Also habe ich meine Kamera weggesteckt und bin weitergezogen.

Ich will niemanden provozieren oder in eine unangenehme Situation bringen, besonders wenn die Leute schon zeigen, dass sie sich unwohl fühlen.

Ich finde es wichtig, solche Situationen nicht zu ignorieren. Es gibt immer andere Orte und Menschen, die gerne fotografiert werden oder die sich nicht daran stören.

Für mich ist es besser, mich darauf zu konzentrieren, anstatt jemanden gegen seinen Willen zu fotografieren. Es geht schließlich darum, schöne Momente festzuhalten, ohne die Grenzen anderer zu überschreiten.


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